Home

Vereint im Klangrausch

  • Edit
Die Junge Philharmonie Ostwürttemberg, vier Chöre und Beethovens 9. Sinfonie in Aalen

Von Christine Bausch

Sie hat ihre Botschaft verkündet, die konkrete Idee von der Freude und der weltumspannenden Brüderlichkeit unter den Menschen. Beethovens „Neunte“, von Junger Philharmonie Ostwürttemberg, Chören der Aalener Kantorei, der Waldorfschule Heidenheim und Cappella Nova Unterkochen großartig musiziert: am Freitag in Gmünd, Sonntag in Aalen und in ungeahnter Aktualität.

„Alle Menschen werden Brüder“, die Worte aus dem Schlusssatz bewegen zutiefst und nicht wenige Zuhörer dürften zu wunderbaren Klängen die Bilder der Flüchtlingsströme vor Augen haben, die täglich die Nachrichten prägen. Unter der Leitung von Uwe Renz erhält ein lang geplantes Projekt traurige Aktualität, wird zum Appell.

Im Mai 1824 erstmals erklungen, reicht die Wirkung von Beethovens 9. Sinfonie weit über den musikalischen Bereich hinaus. Ob als Inspiration für Dichter, Schriftsteller und bildende Künstler, oder Auslöser von Erörterungen und Diskussionen, die „Neunte“ bleibt ein Schlüsselwerk sinfonischer Musik. Es ist ein großer Schuh, den sich die Instrumentalisten der Jungen Philharmonie Ostwürttemberg (JPO) da anziehen, aber er passt. Von Frische und Begeisterung geprägt, rhythmisch prägnant und mit weit ausgebreiteter Dynamik gelingt eine überzeugende Interpretation.

Durch alle Register hervorragend besetzt, glänzen insbesondere die Holzbläser mit ihren überzeugenden Soli. Energiegeladene Blechbläserklänge, gewichtige Paukenschläge, das spritzige pizzicato der Streicher und furiose Tutti-Passagen weichen im dritten Satz sanfter Nachdenklichkeit. Die jugendlichen Musiker zaubern mit ihren Klängen innigen Tiefgang in den weiten Raum der voll besetzten Aalener Stadthalle, überzeugen mit jedem Atemzug, jedem Bogenstrich.

Welch Kontrast zum ungewöhnlichen Zwischenteil des Konzerts, dem Einschub von Arnold Schönbergs Melodram „Ein Überlebender aus Warschau“. Die Idee seines Lehrers Michael Gielen aufgreifend, fordert Dirigent Uwe Renz sieben Minuten höchste Konzentration vom hervorragenden Sprecher (Martin Theuer), vom Männerchor, Orchester und vom Zuhörer. Ausdrucksstark die Rezitation der Texte über die Niederschlagung des Aufstands im Warschauer Ghetto in englischer und deutscher Sprache, gehetzt die Rhythmen. Instrumente weinen, schreien, begehren auf und verstummen. Der auf Hebräisch intonierte Schlusschor beschließt ein Werk von trostloser Wirklichkeit. In voller Besetzung mit weit über 100 Choristen der Aalener Kantorei und Jugendkantorei (Leitung Thomas Haller), der Cappella Nova Unterkochen (Leitung Ralph Häcker) und dem Chor der freien Waldorfschule Heidenheim (Leitung Julia Bernert) und einem durchweg gut besetzten Solistenquartett (Heike Beckmann – Sopran, Kathrin Koch – Mezzosopran, Alexander Efanov – Tenor, Johannes Mooser – Bariton) wird der vierte Satz zum dramatischen Aufruf.

In zügigem Tempo führt Uwe Renz mit seinem klaren Dirigat alle Beteiligten zu einem gewaltigen, homogenen Klangkörper zusammen. Entstaubt, ohne Patina erklingen strahlend-frische Sopranstimmen, formen Alt, Männerstimmen und Gesangssolisten ihre Sicht der „Ode an die Freude“, zelebrieren gemeinsam mit dem energiegeladenen Orchester einen Klangrausch. Die ersten Bravorufe fallen schon in den Schlussakkord. Blumen von Landrat Klaus Pavel für Dirigent und Solisten, stehende Ovationen und fast zehnminütiger Beifall vom Publikum für alle Beteiligten: Ein Konzert mit Musikern aus der Region, das zum 20-jährigen Bestehen der JPO Maßstäbe setzt.

Weitere Aufführungen

Schorndorf, Barbara-Künkelin-Halle, Freitag, 18. September, 20 Uhr
Heidenheim, Waldorfschule, Rotary Club AA-HDH, Samstag, 19. September, 20 Uhr

© Schwäbische Post 15.09.2015